Florian, 30 Jahre

 Deutschland 

Schule

Welche Art von Schule/Schulen hast Du besucht (Förderschule, Regelschule und so weiter)?

Ich habe von 1996 bis 2008 eine Förderschule für Schwerhörige und Gehörlose besucht.

Von 2008 bis 2010 habe ich das Berufskolleg in Mettmann besucht.

Welche Unterstützung hast Du in der Schule erhalten?

Florian, 30 Jahre, Deutschland

In der Grundschule hatte ich eine super nette Lehrerin - sie hat viel mit uns unternommen und konnte Gebärdensprache.

Und sie hat ganz eng mit unseren Eltern zusammengearbeitet und viele Treffen - auch privat gemacht.

Ich denke nicht besonders gerne an die Schule zurück - ich habe mich oft alleine gefühlt und hatte wenig Freunde.

Was waren für Dich die größten Herausforderungen in der Schule?

Ich denke einfach nicht mehr gerne daran zurück und mag mir keine Gedanken dazu machen. Denke, dass ich mich einsam gefühlt habe, war einsam für mich.

Hast Du einen Schulabschluss (zum Beispiel Hauptschulabschluss, Mittlere Reife und so weiter)? Wie viele Jahre bist Du zur Schule gegangen?

Ich hätte, wenn ich mich sehr angestrengt hätte, den Hauptschulabschluss machen können. Wir haben gemeinsam überlegt und entschieden, dass der Förderabschluss besser sein könnte, um im Anschluss an die Schule mehr Möglichkeiten zur Unterstützung zu erhalten.

Als Du mit der Schule fertig warst, was war da Dein Wunschberuf und wo wolltest Du gerne wohnen?

Mein Berufswunsch war, „Filmvorführer“ zu werden. Ich habe mich ganz dolle für Kino und Filme interessiert. Mein Klassenlehrer ist mit mir auch zu einem großen Kino in Düsseldorf gefahren und wir haben nach einem Praktikum gefragt. Doch leider war das nicht möglich, weil es diesen Beruf (als Handwerk) bald nicht mehr geben wird - es wird alles digital erledigt. Leider war der Wunschberuf kein Erfolg. Dann musste ich neu überlegen und habe dann einige Praktika gemacht.

Ich wollte damals in einer Wohngemeinschaft wohnen, als erster Schritt von Hause weg. Das kannte ich, weil mein Bruder und meine Schwester wohnten auch in einer Wohngemeinschaft und ich wusste (in der Theorie) wie das funktioniert.

Beruf

Hast Du irgendwelche Praktika oder andere Jobs während der Schulzeit gemacht? Wenn ja, wo hast Du ein Praktikum gemacht beziehungsweise gearbeitet? Und in welchem Alter hast Du damit begonnen? Hast Du Unterstützung (zum Beispiel durch einen Assistenten) während des Praktikums gehabt?

Ich habe zweimal in einem Spielzeugladen Praktikum gemacht. Einmal in einer Bank und einmal in einer kleinen Küche als Küchenhelfer. Dann habe ich bei REWE ein Praktikum gemacht, aber leider gab es dort auch keine Möglichkeit. Als Letztes habe ich ein Praktikum in der Großküche gemacht. Das ist in Zusammenarbeit mit dem Integrationsfachdienst (IFD) und der Sozialarbeiterin in der Schule in Mettmann organisiert und begleitet worden. Im Spielwarengeschäft: Das war super. Das hat mir Spaß gemacht. Ich habe Regale eingeräumt, Preise ausgezeichnet und Bestell-Listen im Computer fertiggemacht. Rosi war ganz erstaunt, wie gut ich das konnte. Leider fällt mir Rechnen sehr schwer und ich konnte so die Kasse nicht bedienen und leider aus diesem Grund war keine Anstellung möglich. Manchmal gehe ich „Rosi“ heute noch besuchen und denke gerne daran zurück.

Was hast Du nach der Schule gemacht zum Beispiel eine Weiterbildung, eine Ausbildung, ehrenamtliche Tätigkeiten, soziale Arbeiten, Besuch eines Berufsbildungswerkes (BBWs)?

Ich bin dann im Berufskolleg Mettmann in die Schule gegangen für fast zwei Jahre und da habe ich zweimal ein Praktikum in einer Küche im Altenheim gemacht. Im zweiten habe ich eine Anstellung bekomme für die Großküche in Ratingen. Dort hatte ich einen wunderbaren Chef, mit dem ich mich so gut verstanden habe - leider ist er mittlerweile in Rente gegangen. Das war eine große Umstellung für mich. Wir haben uns „ohne Worte“ verstanden und meine Sorge war, wie komme ich mit dem neuen Chef klar und hoffentlich versteht er meine Art der Kommunikation. Uff – diese Umstellung hat mich echt Nerven gekostet. Zuerst gab es einige Missverständnisse und meine Arbeit hat mir manchmal schon keine Freude mehr gemacht.

Wir haben dann noch mal den Integrationsfachdienst (IFD) eingeschaltet. Die Frau kannte ich gut und weil sie selber schwerhörig ist, konnte sie mich und meine Sorgen total gut verstehen.

Dann hatte ich eine Idee: Ich habe meinem Chef eine E-Mail (elektronische Post) geschrieben, denn schreiben kann ich ja ganz gut und habe ihm meine Anliegen erst mal auf diesem Weg erklärt. Am nächsten Tag haben wir dann noch mal darüber gesprochen und so haben wir uns beide besser kennenlernen und verstehen lernen können. Mittlerweile kommen wir prima miteinander aus und wenn nix mehr geht, dann hilft Marius (der 2. Chef), der versteht mich immer und klärt manche Dinge für mich.

Hast Du jetzt einen Arbeitsplatz oder eine Arbeitsstelle? Wenn ja, wo arbeitest Du? Wenn nein, wo möchtest Du gerne arbeiten?

Ja habe ich. Als Küchenhelfer in der Großküche im Altenheim Ratingen.

Hast Du oder Deine Familie Unterstützung bei der Suche nach einem geeigneten Arbeitsplatz bekommen?

Ja, haben wir. Wir haben mit dem Integrationsfachdienst (IFD) in Düsseldorf und der Sozialarbeiterin von der Mettmann Schule ganz eng zusammengearbeitet. Und das hat sehr geholfen. Mit Fördergeldern konnte schließlich ein Arbeitsplatz für mich eingerichtet werden - und bis heute arbeite ich noch da. Manchmal nervt mich das frühe Aufstehen - ich fange um 6.00 Uhr morgens an, aber ich habe ein sehr nettes Team. Manchmal machen wir Blödsinn zusammen und das zählt.

Wohnen

Wo wohnst Du jetzt?

Ich habe eine eigene Wohnung von betreutes Wohnen. Als ersten Schritt von zu Hause weg habe ich in einer Wohngemeinschaft (betreutes Wohnen) gewohnt. Zuerst war alles ganz gut - dann aber haben wir uns alle nicht mehr so gut verstanden. Es gab Konflikte wegen der gemeinsamen Aufgaben, die jeder zu tun hatte und für mich war die Kommunikation ganz schwierig. Als schließlich die einzige Bewohnerin, mit der ich mich richtig verstanden habe, ausgezogen ist, wollte ich auch nicht mehr da wohnen.

Florians Zimmer

Ich wollte so schnell wie möglich raus dort. Wir haben zusammen mit meinem Bezugsbetreuer überlegt, was wir machen sollen. Mein Wunsch war es alleine zu wohnen und wir haben überlegt, wie das funktionieren kann und soll. Ich habe ganz viel Glück gehabt. Abdullah wusste von einem Projekt im gleichen Stadtteil. Hier wohnen Menschen mit Einschränkungen, die auch Kinder haben und dort gab es fünf Wohnungen für Einzelpersonen. Er hat ganz schnell den Quartiermeister angerufen und eine Wohnung war noch frei. Wir haben sie uns angeschaut und mussten innerhalb von zwei Tagen entscheiden, ob wir die Wohnung nehmen wollen. Das bedeutete zu entscheiden: schaffe ich das alleine? Wie? Welche Unterstützung brauche ich? Kann ich das bezahlen? Eine mega spannende Zeit! Wir waren ganz mutig und alle haben an mich geglaubt!

Hast Du oder Deine Familie Unterstützung bekommen, um eine Wohnung beziehungsweise eine Unterbringung für Dich zu finden?

Wir haben immer alle zusammengearbeitet. Meine Eltern arbeiten beide im sozialen Bereich und konnten auf ein gutes Netzwerk zurückgreifen. Und dies haben wir gut gebrauchen können. Bei meiner jetzigen Wohnung war es Abdullah (mein bester Betreuer), der den Quartiermeister kannte. Mein Bruder hat mir eine super tolle Küche gebaut. Er hat die Schränke tiefer gehängt, dass ich auch an alles drankomme. Hat eine Waschmaschine gekauft, die ich verstehe und einen Herd bei dem man die Knöpfe reindrücken kann. Da sehe ich auf einen Blick, dass der Herd aus ist. Wir haben gemeinsam meine Möbel gekauft und aufgebaut und jeder hat geholfen. Ich weiß noch, wie stolz und froh ich war, als alles aufgebaut war. Es ist so gemütlich geworden. Und nun habe ich ein wunderbares „Nest“, wenn ich von der Arbeit nach Hause komme. Manchmal fühle ich mich auch alleine - aber es ist alles besser als in der Wohngesellschaft.

Wo möchtest Du in der Zukunft mal wohnen?

Mit einer Partnerin 😉

Selbstständigkeit

In welchen Bereichen bist Du schon selbstständig – zum Beispiel Einkaufen, fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Arzttermine selbst vereinbaren und wahrnehmen, den Haushalt machen und so weiter? Und wie hast Du das alles gelernt?

Ich kann fast alles durch Bezugsbetreuer und meine Mutter. Ich kann selbstständig einkaufen gehen. Am Anfang der Woche schreibe ich einen Einkaufszettel, was ich alles brauche. Ich überlege, was ich in der Woche kochen möchte und das besorge ich dann. Manchmal mache ich mit meinem Betreuer einen Großeinkauf. Den Rest kann ich alleine bei mir im Viertel besorgen. Ich koche für zwei Tage, dann brauche ich mir nicht jeden Tag etwas Neues auszudenken. Meine Sachen kann ich mittlerweile völlig selbstständig waschen. Wenn ich unsicher bin, frage ich bei meinem Betreuer oder Eltern und Geschwister nach. Auch wenn etwas kaputt ist, ist es sehr praktisch meinen Bruder anzuschreiben, was ich dann tun soll. Er kann mir super erklären, wie ich es machen soll. Wenn er in Düsseldorf zu Besuch ist und es gibt noch etwas zu reparieren, hat er immer Zeit für mich. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.

Auch meine Anziehsachen kaufe ich mir alleine. Ich fahre in die Stadt oder bestelle sie im Internet. Wenn ich unsicher bin, frage ich nach. Meine Familie und Freunde sind hierfür gute Berater. Ich darf vieles selbstständig erledigen. Ich frage nach, ob ich noch genug Geld auf dem Konto habe und dann geht’s los. Ich übertreibe aber nicht und weiß, was alles von meinem Konto heruntergeht (Miete, Strom, Telefon, Haushaltsgeld ...). Arzttermine mache ich mit meinem Betreuer oder meiner Mutter zusammen. Aber Friseurtermine zum Beispiel kann ich selber über Internetkalender buchen. Ich habe das Meiste von meiner Mutter und meinem Betreuer gelernt. Auch mein Bruder ist ein super Ratgeber. Schließlich gibt es ja auch Dinge zu besprechen, die meine Mutter oder Betreuer nicht wissen sollen.

Welche Hilfsmittel benötigst Du, um selbstständig zu sein – zum Beispiel Handy, Tablet, Blindenhund, Kommunikationsgeräte und so weiter? Welche Dinge möchtest Du noch lernen, um selbstständig oder selbstständiger zu werden – zum Beispiel mit Geld umzugehen, Kochen und so weiter?

Mein Handy ist mein wichtigstes Kommunikationsmittel und gibt mir auch Sicherheit. Mit meinen wichtigen Menschen kann ich so sehr gut Dinge nachfragen. Sie wissen, wie ich denke und was ich mit meinen Worten meine und antworten so, dass wir alle uns gut verstehen. Gerne möchte ich noch selbstständiger werden - soweit es irgendwie möglich ist. Aber eigentlich bin ich im Augenblick ganz zufrieden, was ich schon alles gelernt habe.

Meine Eltern und Freunde geben mir einen sehr großen Freiraum, auszuprobieren und nehmen mich sehr ernst, so wie ich bin.

Sonstige Fragen

Hast Du Freunde? Und wie bist Du in Kontakt mit Deinen Freunden - zum Beispiel über WhatsApp, Messenger, Video-Telefonie und so weiter? Und was machst Du mit Deinen Freunden? Ja, habe ich, aber nicht viel.

Am meisten schreibe ich über WhatsApp. Manchmal über Messenger. Leider kann ich seit meiner CI-Operation (Corporate Identity) nicht mehr telefonieren. Das finde ich sehr schade. Aber ich kann wieder hören und darüber bin ich sehr froh. Also benutze ich WhatsApp/Threema und E-Mail (elektronische Post).

Florian aus Deutschland

Ich treffe mich auch mit meinen Freunden. Leider wohnt mein bester Freund nicht in der Nähe. Aber wir sehen uns so oft wie möglich. Und er ist bei den Jahresfesten auch immer mit dabei. Ich hätte gerne mehr Freunde in der Nähe, aber leider ist das gar nicht so einfach. Mein Betreuer und ich suchen nach Gelegenheiten, damit das möglich wird.

Wie sieht eine typische Woche oder ein typischer Tag bei Dir aus?

Um 4:30 Uhr klingelt mein Wecker. Ich mache mich fertig und dann trinke ich einen kleinen Kaffee.
Um 5:30 Uhr bringt mich mein Taxi zur Arbeit. Ich kann auch alleine fahren, aber um diese Uhrzeit fährt noch kein Bus zu meiner Arbeitsstelle.
Um 6:00 Uhr beginnt meine Arbeit in der Küche vom Altenheim.
Um circa 14:30 Uhr habe ich Schluss. Dann fahre ich selbständig mit dem Bus nach Hause. Dann mache ich erst einmal Pause.
An drei Tagen kommt mein Bezugsbetreuer von der Koordinierungs-, Kontakt- und Beratungsstellen (KoKoBe) und wir regeln einige Dinge, gehen einkaufen oder quatschen einfach. Manchmal unternehmen wir auch schöne Dinge!

Was war besonders gut, seitdem Du die Schule verlassen hast? Und was war nicht so gut?

Ich war froh, dass ich weg war von der Schule: falsche Freunde, falsche Liebe und schlechte Erfahrung gemacht.

Was sind Deine Träume und Wünsche für die Zukunft?

Also zu verreisen, neue Länder zu entdecken. Neue Freunde auch mehr als freundschaftlich. Schön wäre auch, wenn die Freunde in meiner Nähe sind. Wo ich mal später wohnen möchte, da habe ich noch nicht so viel nachgedacht. Lieber würde ich in Düsseldorf bleiben. Aber andere Länder zu bereisen möchte ich sehr gerne – wohnen auf keinen Fall. Lieber in Deutschland bleiben.

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